Zum Kinderwahlrecht, von Geburt an, wurde am 27.6.08 ein Antrag an den deutschen Bundestag, Berlin, gestellt. Unterzeichnet ist der Antrag von 46 Abgeordneten aus CDU, CSU, SPD und FDP, darunter die frühere Familienministerin Renate Schmidt und Bundestags-Vizepräsident Wolfgang Thierse (beide SPD) sowie FDP-Generalsekretär Dirk Niebel, Renate Blank (CSU) und Michael Kretschmer (CDU).

Namhafte Unterstützer des Kinderwahlrechts sind u. a.

  • der ehemalige Bundespräsident Roman Herzog. Roman Herzog war von 1983 bis 1994 Richter am Bundesverfassungsgericht und ab 1987 dessen Präsident.
  • Paul Kirchhof ist Staatsrechtler in Heidelberg und war von 1987 bis 1999 Richter am Bundesverfassungsgericht.

Wenn man die Entwicklung des Wahlrechtes in Demokratien anschaut, ist das Wahlrecht für Kinder, treuhänderisch von den Eltern ausgeübt, folgerichtig.

Am Anfang hatten in den jungen Demokratien Englands oder Deutschlands nur die wohlhabenden, männlichen Bürger das Wahlrecht. So gab es in Preußen von 1849 bis 1918 ein „Dreiklassenwahlrecht“. Dabei wurde die Stimme des Wahlberechtigten männlichen Bürgers nach seinem Steueraufkommen gewichtet. 

Die Gleichgewichtung der Stimmen und das Frauenwahlrecht wurden in Deutschland erst 1918 eingeführt. In der Schweiz kam das Frauenwahlrecht erst 1971. Die Schweiz ist das einzige Land, in dem die Männer den Frauen das Wahlrecht in einer Abstimmung erteilt haben.

Die Altersgrenze des Wahlrechts sinkt auch tendenziell. In Preußen waren die jungen Jahrgänge noch stark vertreten, sodaß bei Ausschluss aller Frauen und aller unter 25-Jährigen 1871 knapp 20% des deutschen Volkes ein Wahlrecht hatte.

In der Bundesrepublik Deutschland wurde 1971 die Altersgrenze des Wahlrechts von 21 auf 18 Jahre gesenkt. 1995 wurde in Nidersachsen das Wahlalter für Kommunalwahlen auf 16 Jahre gesenkt. Weitere Bundesländer folgten. 

Heute ist durch die niedrigen Geburtenraten der Anteil von Kindern und Jugendlichen an der Bevölkerung dramatisch gesunken. Gleichzeitig steigen die Lasten, die diesen Kindern und jungen Menschen von den Entscheidungsträgern aufgebürdet und zugemutet werden.

Diese Belastungen durch Renten- und Sozialversicherungen und durch eine ungeheuerliche Staatsverschuldung soll auf immer weniger Schultern verteilt werden.

Hier ist es geboten, dass die kommenden Generationen schon jetzt durch das Wahlrecht Einfluss haben. Das Wahlrecht kann treuhänderisch von den Eltern ausgeübt werden.

Das verfassungsrechtliche Argument des Antrags an den deutschen Bundestag vom 27.6.08 ist die Volkssouveränität Artikel 20 Abs. 2 GG:

„(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.“ (Hervorhebung K.K.)

Natürlich gibt es bei der Volkszugehörigkeit keine Altersbeschränkung. Auch Kinder und Jugendliche gehören zum Volk und üben nach dem Wortlaut des Art. 20 GG ihre Souveränität in Wahlen aus.

Dem steht der Artikel 38 Abs. 2 erster Halbsatz GG entgegen:

„(2) Wahlberechtigt ist, wer das achtzehnte Lebensjahr vollendet hat;“

Dieser Halbsatz soll nach dem Vorschlag der 46 Abgeordneten ersatzlos gestrichen werden.

Der Antrag favorisiert die treuhänderische Ausübung des Wahlrechtes durch die Eltern. Er setzt sich umsichtig mit den Argumenten gegen das Kinderwahlrecht auseinander und widerlegt diese, wie ich meine, überzeugend.

Referenz:
Deutscher Bundestag 16. Wahlperiode: Der Zukunft eine Stimme geben – Für ein Wahlrecht von Geburt an. Drucksache 16/9868, Abgerufen am 9. Juli 2008