Religion
Der Tod Gottes ist keine atheistische Metapher. Vielmehr setzt der Tod ja ein vor dem Tod liegendes Leben voraus. Gott lebte demnach und starb dann und war schließlich tot.
Das aber ist keine Geschichte von gottlosen Geistern, von Agnostikern und Atheisten erzählt. Das ist die Geschichte im neuen Testament. Das Leben Gottes, das Sterben und der Tod, nach dem Tod allerdings die Auferstehung.
Vernünftig betrachtet ist das eine Ungeheuerlichkeit. Gott stirbt und ist tot. Zudem stirbt Gott nicht einfach so an Altersschwäche oder an einem Herzinfarkt. Gott wird von Menschen auch nicht heimtückisch ermordet, sondern er wird in einem Gerichtsverfahren mehr oder weniger ordentlich zum Tode verurteilt. Das muss man sich einmal vorstellen, Menschen verurteilen Gott zum Tode. Zu allem Überfluss wird auch noch das Volk befragt. Das Volk wünscht aber nicht die Begnadigung Gottes, sondern die eines Schwerverbrechers. Um alles noch auf die Spitze zu treiben, wird Gott von seinen treuesten Anhängern verraten, verkauft, verleugnet und im Stich gelassen.
Die Todesstrafe wird an Gott vollzogen. Der Tod Gottes am Kreuz ist seither das Symbol einer großen Religion. Der Tod Gottes am Kreuz durch Menschenhand, durch Verrat, Niedertracht, Gemeinheit, Feigheit … befördert. Das ist das Unfassbare, das Ungeheuerliche schlechthin. Das ist derartig, dass es geglaubt werden kann und dass sich der Glaube mit zunehmender Menschenkenntnis festigt.
Religion
Friedrich von Hayek bezeichnete einerseits die Religion als einzig mögliches und wirksames Fundament für traditionsgeführte Lebensweisen und besonders für Moralvorstellungen.
Hier sieht er in der Tradition durch Evolution gewachsene und in der Auswahl (Selektion) bewährte Dinge, die rationalen Konstrukten überlegen sind, da hochkomplexe Strukturen nicht annähernd planbar und durch die Vernunft beherrschbar sein können.
Andererseits zeigt sich Hayek als Agnostiker, weil er Gott nicht verstehe.
Mir stellt sich hier die Frage, ob er seine eigene Pointe nicht bemerkt hat. In der Religion, in der christlichen und ganz besonders schön in der sehr traditionell katholischen, ist Gott ein unergründliches Geheimnis; er und alle wesentlichen Glaubenstheoreme sind nicht rational fundiert, sind nicht durch die menschliche Vernunft hervorgebracht. Gerade darin schützen sie vor aufdringlicher und täppischer „Hinterfragbarkeit“.
Hayek müsste für seine traditionelle und nicht rationale Ethik den geheimnisvollen Gott, den mysteriösen Glauben an ihn, begrüßen und, wo möglich, annehmen.
Evolution, Leben, Religion, Wissenschaft
Warum das viele Leiden auf der Welt, ganz besonders mein eigenes? Aber selbst das Leiden entfernter, uns fremder Menschen berührt. Warum Krieg, Folter, Krankheit, Sterben …?
Hier ist die, in der Menschheitsgeschichte schon seit Jahrtausenden gesuchte, Antwort:
Leiden, und allgemein unangenehme Empfindungen, wie Schmerz, Trauer, Müdigkeit, Krankheitsgefühl, Angst …, sind hoch nützliche Erscheinungen der Seele.
Diese negativen Seelenphänomene sind in der Evolution entstanden, weil sie dazu führen, dass Lebewesen Zustände meiden, die eine negative Auswirkung auf ihre Überlebens- und Vermehrungsfähigkeit haben. Leiden bedingt, dass negative Faktoren für die evolutionäre Fitness vermieden werden und damit ist Leiden selbst ein positiver Faktor für das Gedeihen, für das Leben.
Somit ist Gott auch in der Frage des Leidens, der Schmerzen, der ganzen negativen Empfindungen gerechtfertigt. Diese negativen Empfindungen zeigen uns die Richtung zum Guten. Es ist sozusagen die entgegengesetzte Richtung.
Schmerz z.B. zeigt uns Einflüsse, die wir im Sinne unserer Fitness, im Sinne unserer Erhaltung und Fortpflanzung meiden sollten. Das gilt zumindest so häufig, dass Lebewesen, die Schmerz empfinden konnten und damit schädlichen Reizen ausgewichen sind, einen Selektionsvorteil hatten.
Allgemein gefasst dienen negative Empfindungen der evolutionsbiologischen Fitness. Sie zeigen den Lebewesen Dinge auf, die sie vermeiden sollten. Durch diese Vermeidung haben dann die Lebewesen, die zu diesen negativen Empfindungen fähig sind, einen Selektionsvorteil.
An Leprakranken, die an ihren Füßen keinen Schmerz mehr fühlen können, zeigt sich, wie gut es in vielen Fällen ist, wenn wir zur Schmerzempfindung fähig sind. Diese Leprakranken haben schreckliche Verletzungen und Infektionen an Körperteilen, wie den Füßen, an denen auch die negativen Empfindungen nicht mehr funktionieren.
Es ist somit in vielen Fällen gut, wenn wir leiden und überhaupt leiden können. Das Leiden kann uns dazu bringen, unsere Fitness zu erhöhen. Es kann uns einen Selektionsvorteil sichern. Leiden ist in diesem Sinne gut.
Es ist nicht gut im Sinne des eigentlich Guten. Das Gute wird als das zu Suchende, das Erstrebenswerte empfunden. In diesem direkten Sinn sind Leiden und Not dem Guten natürlich entgegengesetzt. Wir sind bestrebt, und sollten das auch sein, das Leiden wo möglich zu vermeiden. Leiden zeigt uns, wie schon bemerkt, die dem Guten entgegengesetzte Richtung und führt dadurch indirekt auch zum Guten. Leiden ist als Wegweiser zu seinem Gegenteil in der Tat gut und nützlich. Niemand würde den Nutzen und Sinn von Wegweisern bestreiten wollen.
Ein besonderer Fall ist, wenn, wie bei vielen nützlichen Anstrengungen, das Leiden für den Preis eines höheren Gutes in Kauf genommen wird. So ist es sinnvoll, wenn Kinder leiden, weil sie Hausaufgaben machen müssen, weil durch dieses meist geringe Leiden das Gut einer Erziehung und Bildung junger Menschen gewonnen wird. Dieses Gut steht um ein Vielfaches höher, als das Leiden an den Hausaufgaben. Und ich habe mir sagen lassen, und erinnere mich sogar entfernt aus meiner eigenen Schulzeit daran, dass ganz selten und äußerst “bisweilen” es vorkommen könnte, dass Kinder und auch Erwachsene ihre “unangenehmen” Pflichten gerne und mit Freude erfüllen.
Das ist aber ein anderes Thema, es ist das Thema des Preises für ein Gut, den wir zu “zahlen” bereit sind.
Wir haben in diesem Beitrag erklärt, warum die Existenz von Leiden, Schmerzen … in Einklang ist mit der Vorstellung von einem, wie mein Sohn treffend formuliert, “guten Gott”.