Introversion ist weiter verbreitet als es scheint. Das liegt in der Natur der Sache. Introvertierte Menschen treten nicht so sehr nach außen hin auf. Sie bilden keine Netzwerke, ihr „networking“ nähert sich der Nulllinie. Sie gründen keine Gesellschaften, Vereine, sitzen nicht in Talkshows und tummeln sich nicht auf Bällen oder Kongressen.

Sie werden in ihrer Zahl zumindest unterschätzt.

Gelegentlich aber haben sie einen öffentlichen Auftritt.

Eine dieser Epiphanien bildete das Gespräch in einer amerikanischen Talkshow mit dem ehemaligen Vorsitzenden der us-amerikanischen Notenbank(en) Federal Reserve System, Alan Greenspan. In der Charly Rose Show bezeichnete sich Greenspan als extrem introvertierten Menschen. Das ist bemerkenswert, wenn man die öffentliche Position bedenkt, die er 1987 bis 2006 inne hatte.

Noch besser als dieses Geständnis einer starken Introvertiertheit in einer Fernsehtalkshow gefällt mir allerdings die Beschreibung des Protagonisten aus „Die Blendung“ von Elias Canetti. Peter Kien, die Hauptfigur des Romans, bemerkt nicht ein mal, dass ein Passant mit ihm spricht und sich nach dem Ort erkundigt. Kien redet nicht auf Kongressen zu seinem Fachgebiet und scheut jeden Kontakt mit „den Menschen“, bis er dann in weltfremder Art aus praktischen Erwägungen heraus seine Haushälterin ehelicht … Die folgenden sehr menschlichen Verwicklungen sind für den an Introversion als reinem Zustand interessierten nicht mehr lesenswert.