Von wissenschaftlichen Aussagen, gleichgültig ob naturwissenschaftlich oder geisteswissenschaftlich, wird erwartet, dass sie wahr sind.

Die anerkannten Lehren sollten richtig und wahrheitsgemäß sein. 

Betrachtet man diesen Wahrheitsanspruch genauer, so zeigen sich, eigentümlicher Weise, unterschiedliche Grade an Wahrheit, Richtigkeit und Stimmigkeit. Es sind keine dichotomen Urteile, also entweder ist eine Theorie wahr oder sie ist falsch, sondern es wird beispielsweise in der Medizin der Grad an Evidenz einer Theorie geschätzt. Oder man beurteilt die „Stärke“ einer Betrachtungsweise.

Auch dieses Urteil über den Grad an Wahrheit und die Grundlagen dieses Urteils selbst wiederum haben keine absolute Gültigkeit. Häufig wird die Theorie, nach der die Stärke einer Theorie geschätzt wird, selbst nicht bedacht und der Wahrheitsgrad dieser Grundlage der Wahrheitseinschätzung wird wiederum nicht bewertet.

Die oben angeführte Einschätzung dürfte als nicht so ganz ungewöhnlich empfunden werden. Weniger verbreitet ist demgegenüber wohl die Frage, ob, den Wahrheitsgraden entsprechend, auch Grade des Seins bestehen, also nicht die einfache Unterscheidung, ob etwas ist oder nicht, sondern die Frage, ob es etwas dazwischen „Gestuftes“ gibt zwischen Nichts und Sein.

In der Scholastik und weiter zurück in der klassischen griechischen Philosophie wurden „Seinsgrade“ bestimmt. Wie ist es jetzt in unserem wissenschaftlichen Weltverständnis?