Die Techniker-Krankenkasse gibt eine Studie bekannt, nach der in Deutschland 800.000 Menschen zwanghaft und ohne wirklichen Bedarf kaufen. Sieben Prozent der Bevölkerung seien gefährdet. Der Psychologe Gerhard Raab, Ludwigshafen, habe die Sache untersucht.

Tatsächlich ist Gerhard Raab Hochschullehrer für Marketing und „internationales Marketing Management“ an der Fachhochschule Ludwigshafen. Er beschäftigt sich damit, wie man Produkte an die Kunden verkauft, im Grunde genommen auch mit der Frage, wie man Konsumenten süchtig macht. Der Experte kommt, und das muss gar nicht unbedingt ein Nachteil sein, nicht aus der konsumkritischen Ecke, sondern aus dem Bereich, der den Absatz und Konsum fördern soll.

Von der Drogensucht profitieren Produzenten und Händler. Bei der Kaufsucht ist es ebenso. Produzenten und Händler profitieren von dieser Krankheit. Ihre Gewinne steigen durch Kaufsüchtige. Werbung hat kein anderes Ziel, als den Absatz zu steigern. Und Werbung ist allgegenwärtig. Sie überschwemmt uns mit Reizen, sie schreit uns an, sie sticht in die Augen, sie überflutet die potentiellen Kunden.  Leisen Töne, das Unaufdringliche scheinen ihr unbekannt. Ein wirkliches Interesse daran, was der Kunde braucht und was er nicht braucht, ist ihr fremd.

Und wo ist die Grenze zwischen „gerne Einkaufen“ und süchtig sein nach Shopping? Es ist doch das Ziel von Werbung, von Handel und Dienstleistung die Konsumenten süchtig nach den eigenen Produkten und Leistungen zu machen.

Der Verkauf soll zwischenmenschliche Bedürfnisse nach Zuwendung und Nähe befriedigen. Die Waren sollen Schönheit, sozialen Status usw. herstellen. 

Natürlich erfüllt der Verkauf das Bedürfnis nach Menschlichkeit nicht. Und Waren machen nicht wirklich schöner. Ein Auto bestimmt nicht wirklich den sozialen Rang. Ein Hochstapler kann eine Luxuskarosse fahren und ein sehr vermögender Mensch oder eine wissenschaftliche Autorität können mit dem Fahrad daherkommen.

So ist es mit den anderen gekauften Dingen. Kleider machen bestenfalls so lange schöner, wie man sie trägt. Sind die Hüllen gefallen, zeigt sich die wirkliche Schönheit, oder auch deren Fehlen. 

Was ist zu tun?

Enttarnen des Ersatzcharkters von Konsum. Marketing und Werbung versuchen die Bereiche zu vermischen und Konsum als Befriedigung verschiedener, starker Bedürfnisse erscheinen zu lassen. Aber in Wirklichkeit ist Konsum definitiv nicht:

  • menschliche Kommunikation, Aufmerksamkeit, Zuhören, Freundlichkeit, Verständnis,
  • Konsum ist auch nicht Anerkennung, Leistung, Erfolg …
  • Konsum ist ebenso wenig Sicherheit, Geborgenheit, Standhaftigkeit, Verläßlichkeit, …
  • Konsum überträgt nicht die Eigenschaften der Produkte auf den Besitzer, ein starkes Auto macht den Fahrer nicht stark, ein schöner Anzug macht aus seinem Träger noch keinen schönen Menschen, ein jugendliches Outfit macht nicht wirklich jünger …

Neben der Enttarnung und der Aufklärung über den Ersatzcharakter des Konsums, muss die Augenmerk auf die wirklich sinnvollen Handlungen gelenkt werden.

Menschlichkeit ist in der Familie, bei Freunden und Bekannten, bei allen Kontakten in der jeweils angemessenen Form möglich. Wird dabei etwas verkauft oder gekauft, verdirbt es das Verhältnis ein wenig, weil offenkundig ein wirtschaftliches Interesse im Hintergrund steht und Menschliches möglicherweise nur als Instrument für gute Geschäfte missbraucht wird. Umgekehrt sollte man geschäftliche Beziehungen sachlich, korrekt, freundlich und vor allem mit Anstand pflegen.

Auch wenn die Werbung den Konsum in den Vordergrund drängt, sollten andere Bereiche betont werden. Wichtiger sind

  • Produktion
  • Lernen
  • Kreativität
  • Besinnung
  • Meditation
  • Bewegung 
  • Nachdenken
  • menschlicher Austausch
  • Schönheit …
Und dann findet auch der Konsum seinen berechtigten Ort.