rangkämpfe

In Gruppen vermeintlich Gleicher gibt es weit mehr Rangkämpfe, Eifersüchteleien, Mobbing, Intrigen als in Gruppen mit einer festen und klar kenntlich gemachten Hierarchie. Sind die hierarchischen Strukturen durchlässig und auf öffentlichen und gerechten Prüfungen gegründet, dann ist das Verhältnis zwischen den Gruppenmitgliedern noch friedlicher, klarer geordnet, allgemein verstehbar und anerkannt.

vertikalspannung

Als „Vertikalspannung“ bezeichnet Peter Sloterdijk die Rangunterschiede zwischen Menschen. Diese werden durch Übung, durch Training vergrößert oder auch verringert, jedenfalls führt Training nach oben und der Gemeinplatz sagt, Übung macht den Meister.

In seiner Abhandlung „Du mußt dein Leben ändern – Über Anthropotechnik lässt Sloterdijk jedoch Wesentliches außer Acht. Einmal ist nicht alles eine Sache des Trainings, das Erbe, ob genetisch, kulturell und allgemein die vorgefundenen Bedingungen sind durch Training wenig zu beeinflussen.

Eine weitere Auslassung ist das Training in sozialen Bezügen. Sloterdijk referenziert Übung in seinem Buch auf den Einzelnen. Interessanter ist aber die Übung als soziale Interaktion. Das beginnt mit der Familie, in der Kindergartengruppe, in der Schule, in der Sprachgemeinschaft, in der religiösen Gemeinde, im Sportverein bis hin zum Internet als virtueller Weltgemeinde.

Eine Aporie, die erwähnt werden müsste, ist die Blindheit der Evolution, gemäß der herrschenden Theorie. Man kann zwar mit Nietzsche behaupten, dass die Schwachen, Kranken, die Zukurzgekommenen, die minderwertigen Herdenmenschen und ihre Führer sich durchgesetzt haben. Aber nach dem Prinzip der Selektion sind dann auch die Schwachen, wenn sie sich durchgesetzt, erhalten und vermehrt haben, die Starken. Und vermeindlich starke Menschen, die in der Selektion untergehen, sind nach diesem Kriterium eben nicht stark, sondern schwach.

schlecht

Die Klage, so lautet ein Topos, über schlechte Manieren ist ein Teil derselben. Und auch die Bemühung um Stil und Umgangsformen zeigt einen Mangel.

Zudem ist Ehrgeiz verbreitet und ein Schielen nach höherem Rang und dessen Zeichen.

Wie wäre es dagegen sich eine Rangstufe nach unten zu orientieren, sozusagen als Gegengift für falsches Prestigestreben.

Noch besser wäre die sichere Einnahme des wirklichen Ranges mit allen Zeichen und Selbstverständlichkeiten. In einer durch den Wechsel der Moden bewegten Zivilisation ist allerdings die Sicherheit verloren gegangen, den rechten Platz in der Gemeinschaft zu treffen.

Und die Verschleierung der wirklichen Herrschaft durch eine Gleichheitsideologie macht das Denken und Handeln in Rangordnungen unpopulär.

Doch auch hier zerbrechen an der Wirklichkeit Ideologien und die Lüge von der Gleichheit entlarvt sich durch die Gleicheren unter den Gleichen.

Natürlich unter den Menschen sind unterschiedliche Ränge an Kraft, Schönheit, Weisheit, gesellschaftlicher Stellung, Autorität …

distanz

Nähe und Distanz. Schopenhauers Fabel von den Stachelschweinen ist anschaulich. Die Schweine rücken zusammen um sich zu wärmen, gemütlich wollen sie es haben. Doch dann, bei zu engen Berührungen, werden die Stacheln fühlbar.

„Eine Gesellschaft Stachelschweine drängte sich en einem kalten Winterrage recht nah zusammen, um sich durch die gegenseitige Wärme vor dem Erfrieren zu schützen. Jedoch bald empfanden sie die gegenseitigen Stacheln, welches sie dann wieder von einander entfernte. Wann nun das Bedürfnis der Erwärmung sie wieder näher zusammenbrachte, wiederholte sich jenes zweite Übel, so da? sie zwischen beiden Leiden hin und her geworfen wurden, bis sie eine mäßige Entfernung voneinander herausgefunden hatten, in der sie es am besten aushalten konnten.

So treibt das Bedürfnis der Gesellschaft, aus der Leere und Monotonie des eigenen Innern entsprungen, die Menschen zueinander; aber ihre vielen widerwärtigen Eigenschaften und unerträglichen Fehler stoßen sie wieder voneinander ab. Die mittlere Entfernung, die sie endlich herausfinden, und bei welcher ein Beisammensein bestehen kann, ist die Höflichkeit und feine Sitte. Dem, der sich nicht in dieser Entfernung hält, ruft man in England zu: keep your distance! – Vermöge derselben wird zwar das Bedürfnis gegenseitiger Erwärmung nur unvollkommen befriedigt, dafür aber der Stich der Stacheln nicht empfunden.

Wer jedoch viel eigene, innere Wärme hat, bleibt lieber aus der Gesellschaft weg, um keine Beschwerde zu geben, noch zu empfangen.“

Es kann aber auch der Rang entscheiden über den sozialen Abstand, nicht nur die „innere Wärme“. Eine positive Korrelation besteht. Das ist stärker bei wirklichem Rang als bei formalem. Das Pathos der Distanz ist auch eine Frage darüber, was die Menschen unterscheidet und was sie gemeinsam teilen. Es ist eine Frage von der Auffassung des Zusammenlebens in einer Kultur und des Zusammenlebens der Kulturen. In wie weit sind alle gleich, wo bestehen Unterschiede und was ist besser oder schlechter. Hierhin gehören auch Dünkel, vornehm tun und Symbole, Zeichen eines Ranges, der oft nicht besteht.