Kraft von Religion und Wissenschaft

Zwei geistige Haltungen haben enormen Einfluss auf die Welt.

Die eine Haltung ist die religiös, weltanschauliche, die andere und jüngere Haltung ist die wissenschaftlich, technische.

Beide Strömungen könne Berge versetzen. Aber nur Religionen und Weltanschauungen treiben zu Kriegen. Die wissenschaftliche Technik stellt zum Krieg nur furchtbare Mittel zur Verfügung über deren Anwendung allerdings die Ideologien entscheiden.

Grund und Anlass zum Krieg bildet immer etwas Religiöses und Weltanschauliches, nie etwas Technisches und Wissenschaftliches.

versklavungsreligion

Was Rom mit dem Schwert nicht gelang, die Unterwerfung der Germanen, bewirkte das Kreuz. Die Eroberung und Vernichtung der germanischen, nordischen Kultur konnte auf diesem heimtückischen Weg durchgeführt werden.

Und wie immer in der Geschichte hat der Sieger recht und der Stärkere gewinnt oder, man kann die Tautologie auch drehen, der Gewinner war der Stärkere. Aber …

provisorisches wissen

Man stellt Fragen und sucht mit möglichst guten Methoden nach den Antworten.
Die Fragestellungen werden besser und die Methoden werden besser, zumindest tendenziell besteht hier ein deutlicher Fortschritt.
Auch die Antworten ändern sich, man erhält neue Ernkenntnisse, muss alte Ergebnisse revidieren.
Diese Herangehensweise, so schlicht und einfach sie klingen mag, erweitert unser Wissen enorm. Wir können unsere Fragen, Methoden und Resultate verbessern.
Demgegenüber hat das religiöse Wissen auch die politische Religion und die religiöse Politik einen Anspruch auf unveränderliche, immer gültige Wahrheit. Das steht einem Erkenntnisfortschritt entgegen.

widernatur

Zur medialen Aufwühlung schon seit langem bekannter sexualpathologischer Praktiken in der katholischen Kirche ein Zitat aus dem Jahre 1888:

„Vierter Satz.- Die Predigt der Keuschheit ist eine öffentliche Aufreizung zur Widernatur. Jede Verachtung des geschlechtlichen Lebens, jede Verunreinigung desselben durch den Begriff „unrein“ ist die eigentliche Sünde wider den heiligen Geist des Lebens.“

Weil es mit so großer Verve und Selbstüberschätzung geschrieben ist und vor allem aber mit Stil, hier der größere Zusammenhang:

„Gegeben am Tage des Heils, am ersten Tage des Jahres Eins
(- am 30. September 1888 der falschen Zeitrechnung)
Todkrieg gegen das Laster:
das Laster ist das Christenthum

Erster Satz. – Lasterhaft ist jede Art Widernatur. Die lasterhafteste Art Mensch ist der Priester: er lehrt die Widernatur. Gegen den Priester hat man nicht Gründe, man hat das Zuchthaus.

Zweiter Satz.- Jede Theilnahme an einem Gottesdienste ist ein Attentat auf die öffentliche Sittlichkeit. Man soll härter gegen Protestanten als gegen Katholiken sein, härter gegen liberale Protestanten als gegen strenggläubige. Das Verbrecherische im Christsein nimmt in dem Maasse zu, als man sich der Wissenschaft nähert. Der Verbrecher der Verbrecher ist folglich der Philosoph.

Dritter Satz. – Die fluchwürdige Stätte, auf der das Christenthum seine Basilisken-Eier gebrütet hat, soll dem Erdboden gleich gemacht werden und als verruchte Stelle der Erde der Schrecken aller Nachwelt sein. Man soll giftige Schlangen auf ihr züchten.

Vierter Satz.- Die Predigt der Keuschheit ist eine öffentliche Aufreizung zur Widernatur. Jede Verachtung des geschlechtlichen Lebens, jede Verunreinigung desselben durch den Begriff „unrein“ ist die eigentliche Sünde wider den heiligen Geist des Lebens.

Fünfter Satz. – Mit einem Priester an Einem Tisch essen stößt aus: man excommunicirt sich damit aus der rechtschaffnen Gesellschaft. Der Priester ist uns er Tschandala, – man soll ihn verfehmen, aushungern, in jede Art Wüste treiben.

Sechster Satz. – Man soll die „heilige“ Geschichte mit dem Namen nennen, den sie verdient, als verfluchte Geschichte; man soll die Worte „Gott“, „Heiland“, „Erlöser“, „Heiliger“ zu Schimpfworten, zu Verbrecher-Abzeichen benutzen.

Siebenter Satz. – Der Rest folgt daraus.“

[Nietzsche F. Der Antichrist; 1895.]

benedictus xvi

Heute Nacht träumte Herr K. vom Papst. Der Papst war verändert. Der früher Konservative wurde modern, weltoffen, zeitgemäß und realistisch.

Sein Gesinnungswandel vollzog sich in kürzester Zeit. Viele Menschen wunderten sich. Aber es herrschte auch große Freude über die neuen Ideen des Pontifex. Die Medien liebten den Wandel und berichteten pausenlos über diese geistige und theologische Verjüngung des über Achzigjährigen.

Der Papst hob den Zölibat auf und jeder Priester, der wollte, konnte heiraten. Aber auch für Frauen standen plötzlich alle Postitionen der Kirche offen, ja es war denkbar, dass eine Frau in Zukunft Päpstin würde.

Die starre Haltung zur Homosexualität wich einer umfassenden Toleranz. Der Papst soll den Bereich der gesamten Sexualität dem privaten Ermessen jedes einzelnen Menschen anheim gegeben haben. Jeder solle nach seiner Vorstellung und Neigung handeln dürfen, solange er nicht die Freiheit der Anderen einschränken würde.

Empfängnisverhütung war plötzlich erlaubt und Kondome waren sogar im Sinne der HIV-Prävention erwünscht. Abtreibungen wurden geduldet und erforderten allerdings eine Abwägung zwischen den Interessen der Mutter und dem möglichen Schaden, den die Frau durch einen Schwangerschaftsabbruch haben könnte.

Alle Unglaublichkeiten der Überlieferung wurden symbolisch gedeutet, und so zog Vernunft wieder in die katholische Kirche ein. Die eucharistische Wandlung galt als symbolisch und ebenso war die Jungfräulichkeit der Gottesmutter nicht real geglaubt, sondern nur eine Metapher.

Kurz, es herrschte große Freude bei allen, selbst bei den anderen Glaubensrichtungen, denn der Papst gab jetzt allen Recht, und vertrat auch hier eine freiheitliche und tolerante Haltung. Jede Religion sei nach seiner neuen Einsicht geeignet, eine Wahrheit auszudrücken, jede Glaubensrichtung habe ihre Berechtigung und verkörpere eine tiefe Erkenntnis über das Religiöse.

Dann hörte Herr K. die Glocken läuten. Er wurde wach und war schweißgebadet. Der Alptraum steckte ihm noch in den Gliedern und er begann sein Morgengebet.

ἀλήθεια

Wahrheit (ἀλήθεια) beanspruchen Evolutionsbiologen für sich, wenn sie die Illusionen des Katholizismus und anderer Religionen kritisieren. Die Wissenschaft ist wahr, die Religion ist ein Lügengebäude.

Aber was ist schon Wahrheit? Im Spiel der Evolution kommt es nicht so sehr darauf an, wer Recht hat und die Wahrheit sagt, sondern entscheidend ist die Erhaltung und Fortpflanzung von Lebewesen. Und was die Geburtenraten und damit die evolutionsbiologisch entscheidene Reproduktion betrifft, sind die Religionen mit ihren vermeindlichen Illusionen den modernen wissenschaftlich und religionskritisch eingestellten Gruppen um ein vielfaches überlegen.

Wenn in ein paar Generationen die wissenschaftlichen Zivilisationen verschwunden wären, würde es ihnen wenig helfen im Besitz der Wahrheit gewesen zu sein.

Wahrheit ist nur dann gut, wenn sie einen Selektionsvorteil bietet. Führen demgegenüber „Illusionen“ zu einer besseren Anpassung und Vermehrung, dann sind diese „Illusionen“ der Wahrheit überlegen und damit sind in gewisser Weise die Illusionen zumindest das Wahre, wenn nicht sogar die Wahrheit.