Heute Nacht träumte Herr K. vom Papst. Der Papst war verändert. Der früher Konservative wurde modern, weltoffen, zeitgemäß und realistisch.

Sein Gesinnungswandel vollzog sich in kürzester Zeit. Viele Menschen wunderten sich. Aber es herrschte auch große Freude über die neuen Ideen des Pontifex. Die Medien liebten den Wandel und berichteten pausenlos über diese geistige und theologische Verjüngung des über Achzigjährigen.

Der Papst hob den Zölibat auf und jeder Priester, der wollte, konnte heiraten. Aber auch für Frauen standen plötzlich alle Postitionen der Kirche offen, ja es war denkbar, dass eine Frau in Zukunft Päpstin würde.

Die starre Haltung zur Homosexualität wich einer umfassenden Toleranz. Der Papst soll den Bereich der gesamten Sexualität dem privaten Ermessen jedes einzelnen Menschen anheim gegeben haben. Jeder solle nach seiner Vorstellung und Neigung handeln dürfen, solange er nicht die Freiheit der Anderen einschränken würde.

Empfängnisverhütung war plötzlich erlaubt und Kondome waren sogar im Sinne der HIV-Prävention erwünscht. Abtreibungen wurden geduldet und erforderten allerdings eine Abwägung zwischen den Interessen der Mutter und dem möglichen Schaden, den die Frau durch einen Schwangerschaftsabbruch haben könnte.

Alle Unglaublichkeiten der Überlieferung wurden symbolisch gedeutet, und so zog Vernunft wieder in die katholische Kirche ein. Die eucharistische Wandlung galt als symbolisch und ebenso war die Jungfräulichkeit der Gottesmutter nicht real geglaubt, sondern nur eine Metapher.

Kurz, es herrschte große Freude bei allen, selbst bei den anderen Glaubensrichtungen, denn der Papst gab jetzt allen Recht, und vertrat auch hier eine freiheitliche und tolerante Haltung. Jede Religion sei nach seiner neuen Einsicht geeignet, eine Wahrheit auszudrücken, jede Glaubensrichtung habe ihre Berechtigung und verkörpere eine tiefe Erkenntnis über das Religiöse.

Dann hörte Herr K. die Glocken läuten. Er wurde wach und war schweißgebadet. Der Alptraum steckte ihm noch in den Gliedern und er begann sein Morgengebet.