Erziehung, praktische Philosophie
Heidegger stand bei der Veröffentlichung seines frühen Hauptwerkes „Sein und Zeit“ unter Druck. Er schielte auf einen Freiburger Lehrstuhl, hatte aber an Veröffentlichungen nicht viel zu bieten. Also zog er ein Fragment aus der Schublade, nannte es wie bekannt und versah es mit dem Zusatz der Ankündigung blieb, „erster Teil“. Der „zweite Teil“ kam nie.
Wenn deutsche verbeamtete Philosophieprofessoren in Not sind, tun sie merkwürdige Dinge. Sind sie aus dem Schneider, geht alles wieder seinen ruhigen Gang. Der ruhige Gang aber dürfte die Leistungen nicht fördern. Er führt eher zu dem, was Konrad Lorenz die „Verhausschweinung“ titulierte. Eine Wildsau ist im Gegensatz zum Hausschwein stärker, klüger, robuster, schneller und fruchtbarer.
Warum werden in Deutschland die Lehrer und darin inbegriffen auch die Hochschullehrer verbeamtet? Sollen sie verhausschweinen, sich geborgen und versorgt fühlen und abschlaffen in der verbeamteten Bequemlichkeit?
Was wäre aus Heidegger als Wildsau geworden?
In einem späten Filmausschnitt ahnt man bei diesem deutschen Gelehrten sein schlechtes Gewissen, man bemerkt den schuldbewußten Blick, die Angst, dass die großsprecherische Rabulistik durchschaut wird und ein kleiner Staatsbeamte mit hohem Pathos zum Vorschein kommt.
praktische Philosophie
In einer repräsentativen Demokratie, wie der der Bundesrepublik Deutschland, zählt bei den Wahlen die Mehrheit der Stimmen. Die Masse der Wähler wird propagandistisch hofiert. Aber auch und besonders die Interessen kleiner und dafür um so einflussreicherer Gruppen werden bedient. So macht das Gemeinwohl, das an den Interessen aller, besonders aber auch der zukünftigen Generationen orientiert ist, dem Eigennutz und der Habsucht Platz.
Die politische Theorie hat dafür einen Begriff, der heute kaum noch bekannt ist. Die Ochlokratie bezeichnet diese Verfallsform der Demokratie. Ochlokratie leitet sich ab von ὄχλος (óchlos) – (Menschen-)Menge, Pöbel, Masse, sowie κρατία (kratía) – Herrschaft). Sie ist die korrumpierte Form der Demokratie.
Platon handelt von ihr (Platon, Politikos, 292a), ebenso Aristoteles (Nikomachische Ethik, 1160a) und Polybios (Geschichte, 6).
[7] πρώτη μὲν οὖν ἀκατασκεύως καὶ φυσικῶς συνίσταται μοναρχία, ταύτῃ δ᾽ ἕπεται καὶ ἐκ ταύτης γεννᾶται μετὰ κατασκευῆς καὶ διορθώσεως βασιλεία. [8] μεταβαλλούσης δὲ ταύτης εἰς τὰ συμφυῆ κακά, λέγω δ᾽ εἰς τυραννίδ᾽, αὖθις ἐκ τῆς τούτων καταλύσεως ἀριστοκρατία φύεται. [9] καὶ μὴν ταύτης εἰς ὀλιγαρχίαν ἐκτραπείσης κατὰ φύσιν, τοῦ δὲ πλήθους ὀργῇ μετελθόντος τὰς τῶν προεστώτων ἀδικίας, γεννᾶται δῆμος. [10] ἐκ δὲ τῆς τούτου πάλιν ὕβρεως καὶ παρανομίας ἀποπληροῦται σὺν χρόνοις ὀχλοκρατία. (Polybios, Geschichte, 6)
Begriffe sind die Werkzeuge des Denkens. Fehlen sie, fehlt auch die Reflexion. Ochlokratie ist auch zeitgenössisch eine bedeutende Kategorie, deren Gegenstand es, auch in gradueller Ausformung, zu erkennen und abzuwehren gilt.
Leben, praktische Philosophie, Religion
„Himmelbett statt Hostien, Schlemmermenüs statt Abendmahl, Schulsport statt Niederknien, Sparbücher statt Segen – der Umbau von Sakralbauten in Wohnungen, Restaurants, Sporthallen oder Sparkassenfilialen ist ein hochsensibler Markt. Einer, der auch in Deutschland wachsen wird – das ist so sicher wie das Amen am Altar.“ So kann man in der Onlineausgabe der Wirtschaftswoche zu Ostern 2009 über die profane Nutzung von Sakralbauten lesen.
Auch wenn die Inhalte des christlichen Glaubens nicht mehr fundamentalistisch, wörtlich, ohne Zweifel und Kritik angenommen werden können, auch wenn statt dem Christentum die Religion des Massenkonsums und hier besonders die tägliche, stundenlange und gewissenhafte Anbetung des Fernsehers vorherrschend ist und wenn für aufgeklärte Geister die Wissenschaften die Religionen ersetzt haben, auch dann ist mein Empfinden eindeutig für das Religiöse und hier ganz klar für das Katholische und da wiederum für seine gemäßigt konservativer Praxis.
Bei den Möglichkeiten, Himmelbett statt Hostie, bin ich ohne eine Sekunde zu zögern für die Hostie, als dem wirklichen Leib des Gottmenschen Jesus.
Schlemmermenüs erzeugen Übelkeit verglichen mit dem heiligen Abendmahl, bei dem das Kreuzopfer von Mensch und Gott vollzogen wird.
Die Demut des Niederkniens ist weit wichtiger im Leben als sinnfreie Turnübungen, und das Knien im heiligen Raum schließt die körperliche Ertüchtigung nicht nur für Schüler, sondern auch für Vor- und Nachschüler nicht aus. Vielmehr bedeutet das Bibelwort vom Körper als Gottestempel, dass dieser Tempel stark, schön und gesund erhalten werden muss (1.Kor. 6,19).
Der Segen des Vaters oder der Mutter für die Kinder, der Segen eines Menschen für einen Anderen bedeutet eine wohlwollende, beschützende Haltung, die durch das rein finanzielle eines Sparbuches nicht aufgewogen werden kann. Zudem hat man ein Sparbuch meistenfalls für sich selbst, der Segen wird aber einem anderen gespendet, sich selbst zu segnen, so wie man Geld für sich selbst auf sein Sparbuch einzahlt ist unmöglich. So steht der Segen um vieles höher als das Sparbuch.
praktische Philosophie
Das Ganze ist gut und bedarf keiner Rechtfertigung. Die Affirmation ist nur nötig bei Sachen, die noch nicht fest stehen, die noch wanken und umfallen können.
Imgleichen ist die Rechtfertigung nur sinnvoll bei Angreifbarem, das Unangreifbare bedarf ihrer nicht.
Das Sein ist seiend, und wenn man so möchte, ist es damit auch gut.
Wenn aber eine Begründung gegeben wird für etwas, dann auch die Gegengründe und, wo diese falsch sind, ihre Widerlegung, wo diese eine Berechtigung haben, was meistens der Fall ist, wenn sie von vernünftigen Menschen vorgebracht werden, dann ist die Synthese herzustellen, die auch die berechtigte Antithese mit aufnimmt.
These, Antithese und Synthese stellen die Sache umfassend dar. Sie verharren nicht in der Apologie, bleiben nicht bei der bloßen Kritik, sondern führen beides in einem Dritten zusammen.
Wer eine Angelegenheit so behandelt, tut mehr als meist üblich.
praktische Philosophie
In einer Gemeinschaft gibt es viele erfolgreiche Menschen. Diese sind meist mit der bestehenden sozialen Ordnung zufrieden. Unzufriedenheit kann aber auch bei den Reüssierten angetroffen werden, insofern sie noch weiter aufsteigen wollen. Diese Unzufriedenheit kann mit sich selbst bestehen oder mit sehr eingegrenzten Strukturen der jeweiligen Arbeitswelt, Familie usw., ist in der Regel aber nicht auf das „ganze System“ bezogen.
Wenn die Auswahlkriterien für Erfolg wirkliche Stärken sind, dann sind die Starken zufrieden und glücklich.
Die Schwachen aber, die „Zukurzgekommenen“ sind unzufrieden. Sie kritisieren die bestehende Sozietät. Die Kritik kommt politisch gesehen von links oder rechts. Und sie wird darauf zielen, die herrschenden Eliten als ungeeignet zu kennzeichnen.
Das Argumentationsmuster sieht folgendermaßen aus:
Die Erfolgreichen haben ihren Erfolg nicht wirklicher Stärke zu verdanken. Sie sind nicht deswegen erfolgreich, weil sie z. B. tüchtig, fleißig, tapfer, unternehmerisch, geschickt, schnell, kommunikativ … sind.
Vielmehr fehlen ihnen die wahren Stärken und sie sind an der Spitze, weil sie verwerfliche Eigenschaften besitzen und sich übler Praktiken bedienen. Sie sind, dieser Argumentation zufolge, ehrgeizig, korrupt, gierig, verbrecherisch, faul, schleimig, prinzipienlos, ausbeuterisch und mafiös.
Die Kritiker dagegen beanspruchen für sich, als fiktiv konkurrierende Elite, dass sie positiv bewertete Stärken besitzen und somit die eigentliche, wirkliche führende Schicht bilden würden, wenn es mit rechten Dingen zuginge. Und dafür zu sorgen, dass es mit rechten Dingen zugeht, ist ihr Ziel. Sie, die Gesellschaftskritiker, wollen die wahren Werte zur Geltung bringen und dann, weil sie diese Werte besitzen, zur rechtmäßigen Führung aufsteigen.
Dieses Muster findet man sowohl links wie rechts der Mitte.
Was aber sind, jenseits der Apologie der Erfolgreichen und andererseits ohne die Verdrehungen und moralischen Wolkenkuckucksheime der Gescheiterten, die legitimen Maßstäbe zur Bewertung einer Gemeinschaft?
Sollte man eine Gesellschaft nur an ihren eigenen Werten und Maßstäben messen? Und, wenn andere externe Kriterien legitim wären, welche Kriterien zur Bewertung einer Sozietät wären das, und wie wären sie legitimiert?
Bildet das sogenannte Naturrecht, das ohne menschliche Setzung und Tradition bestehen soll, einen Maßstab? Das Naturrecht wäre nach Auffassung der katholischen Kirche von Gott gegeben. Da diese Kirche das Gottesgnadentum mit dem Naturrecht verband und dann in demokratischen Zeiten diese Verbindung wieder auflöste, ist Skepsis angebracht.
Auch der normative Libertarianismus gründet in einem behaupteten Naturrecht auf Eigentum, vornehmlich auf Eigentum an einem selbst. Auch diese Auffassung ist historisch gewachsen und keine natürliche Setzung, was allerdings zu begründen ich hier schuldig bleibe.
Ein populärer Maßstab sind die Menschen- und Grundrechte. Und da nach meiner Auffassung nichts Besseres zu haben ist, dürfte es legitim sein diesen Maßstab zu gebrauchen und den Missbrauch der Menschenrechte zu kritisieren und wo möglich zu hindern. Es kann sogar eine Pflicht sein, Verstöße gegen die Menschen- und Grundrechte zu bekämpfen.