Unrecht, ja selbst unsittliches Verhalten, das keinen Verstoß gegen geltendes Recht bedeutet, ist aus mehreren Gründen abzulehnen.
Ein wenig beachteter Aspekt ist, dass sittenwidriges und rechtswidriges Verhalten kompliziert ist. Es besitzt nicht die einfache, schlichte Schönheit des Guten.
Ist aber nicht das sitten- und rechtswidrige Verhalten viel simpler als die Beachtung von gegebenen Normen und Werten, also gerade dann einfach und schlicht?
Ein Leben ohne gesellschaftliche (oder juristische) Regeln könnte dann doch weit weniger komplex sein, als ein Leben unter Beachtung dieser Normen.
Danke für Ihren Einwand.
Ungeregeltes Verhalten ist komplexer und nicht einfacher. Das gilt prinzipiell. Beispiele gibt es aus allen Bereichen. In der Physik sind es chaotische Zustände. Im Straßenverkehr verschiedener Länder herrschen unterschiedliche Grade der Regelung und Komplexität.
Zwei Momente geben Ihrem Einwand eine Berechtigung.
1. Es gibt Überregulierung. In diesen Fällen mangelt es an einer klaren und einfachen Regelung der Regeln. Es ist sozusagen eine Schwäche der Metaregeln vorhanden. Das klingt kompliziert, ist es aber nicht. Ein Beispiel wäre das deutsche Steuerrecht. Eine Metaregel könnte sein, dass eine Steuererklärung auf einen Bierdeckel passen muss. Eine bessere Metaregel wäre, dass auch ein Laie die Abgabenordnung verstehen können sollte.
2. Die Einhaltung von Regeln erfordert das Hintanstellen entgegenlaufender Interessen. Das kann Überwindung erfordern und Kraft, führt aber zu rechtlicher und sittlicher Ordnung und nicht zu Unordnung, Chaos, Anarchie und Komplexität. Wogegen ein Verhalten ohne Rücksicht auf Regeln möglicherweise einfach im Sinn von “leicht” oder “mühelos” sein kann.
Vielen Dank für Ihre Antwort.
Die Erzeugung von Komplexität, gerade aufgrund fehlender Regeln war mir bisher in dieser Art nicht bewusst und stellt für mich eine ganz neue, faszinierende Verbindung dar.
Könnte ich dann nicht die chaotischen Zustände der Physik, die Sie als Beispiel nennen, nicht auf die Natur im Gesamten übertragen, hin zu dem „Endpunkt: Natur ist Chaos“, also umfassende Komplexität? Ist dann die „schlichte Schönheit des Guten“ so zu verstehen, dass dieses vollständige Chaos der Natur und der Mensch bzw. die Gesellschaft, die darin enthalten ist, durch Metaregeln begrenzt wird?
Interessant, dass sich an einen meiner kürzesten Posts ein kleines Gespräch anknüpft.
Danke für das Interesse.
Nun stellt sich das in der Tat für uns so dar. Ein Chaos, ein regelloses Durcheinander, beispielsweise im Straßenverkehr, wird durch Regeln geordnet.
Desgleichen wird das Wachsen von Lebewesen durch genetisch beschriebene Regeln geordnet.
Und auch Gemeinwesen benötigen juristische und sittliche Regeln zu ihrer Ordnung. Diese dienen unter anderem der Konfliktvermeidung und -bewältigung.
Allerdings ist unser Naturverständnis so, dass auch hier kein absolutes Chaos herrscht. Vielmehr sucht die Physik gegenwärtig nach einer möglichst einheitlichen und einfach Beschreibung des Universums. Gesucht wird eine „grand unification theory“ zur Vereinheitlichung von drei der vier Grundkräfte des Universums. Die vierte Kraft, die Gravitation, würde durch eine „theory of everything“ integriert. Auch diese Bemühungen zur physikalischen Theorienbildung zielen auf Einfachheit und, wenn man so will, schlichte Schönheit.
Ich glaube, dass gerade die knappe Darstellung Ihres Beitrags zu einem, in der Philosophie sehr umfassenden Thema, mein Interesse geweckt hat (wobei ich hoffe, das weitere Post oder Kommentare erwünscht sind?).