Leben und Sterben sind erfahrbar. Auch im Sterben lebt der Mensch noch. Er ist auf dem Weg zum Tod. Mit dem Tod endet das Leben. Damit endet auch das Erleben, die Erfahrung. Der Tod ist für den, der Tod ist, nicht mehr erfahrbar. Der Tod anderer Menschen ist natürlich erfahrbar, weil der, der die Erfahrung des Todes von Anderen machen kann, selbst notwendig leben muss. Tod ist nur erfahrbar als der Tod Anderer, nicht als der eigene Tod. 

Der eigene Tod ist sprachlich nicht fassbar. Er ist nicht Nichts. Nichts macht nur Sinn im Bezug auf „Etwas“, als allgemeinstes ontologisches Substrat. Der Tod ist jenseits sprachlicher Beschreibbarkeit. Nur der Hinweis auf seine Unaussprechlichkeit macht ihn sprachlich indirekt fassbar. Das allerdings auch nur so, dass er als unfassbar bezeichnet wird.

Die Mythen über den Tod, z. B. über Wallhalla, über das Fegefeuer, den Himmel und die Hölle, über die ewigen Jagdgründe sagen nichts über den Tod. Sie sagen deshalb nicht etwas Unsinniges. Diese Geschichten, die es in allen Kulturen gibt, sagen Wichtiges nicht über den Tod, sondern über das Leben. Es sind Wunschträume, Sehnsüchte, Phantasien, kunstvolle und allen Respekt verdiende Mythen der jeweiligen Kultur. Sie prägen das Selbstverständnis der Menschen, die an die Geschichten glauben und sie tradieren, weitertragen von Generation zu Generation und sie über ihre eigene Kultur hinaus der restlichen Menschheit mitteilen.

Irgendwo hat Wittgenstein geschrieben, dass der Tod kein Ereignis des Lebens sei. Ich finde leider die Stelle nicht mehr, aber sie dient mir als Kristallisationspunkt.

Ach ja, ich hab jetzt die Stelle gefunden:

„Der Tod ist kein Ereignis des Lebens. Den Tod erlebt man nicht.“

[Ludwig Wittgenstein. Logisch-Philosophische Abhandlung, Wilhelm Ostwald (ed.), Annalen der Naturphilosophie, 14 (1921) 6.4311]